Criminologia

das deutschsprachige Kriminologie Blog

  • Startseite
  • Blogansicht
  • Studium
    • Was ist Kriminologie?
    • Kriminologiestudium in Hamburg
    • Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis
    • Zeitleiste zur Geschichte der Kriminologie
    • Kriminologische Lehrbücher
    • Aktuelle Journal-Artikel
    • Hinweise zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit
    • Prison Song Project
    • Rezensionen
  • Linkportal
  • Veranstaltungen
  • Kontakt

Medienkontrolle und Demokratieverständnis

Am 3. Mai 2009 gepostet von Christian Wickert

Hans Schmid ist Journalist und schreibt für Telepolis, zudem ist Herr Schmid Filmliebhaber und -kenner und erklärter Fan von Horrorfilmen. An Horrorfilmen reizt ihn die Subversivität des Genres und

dass dort eine andere Art von Wirklichkeit gezeigt und verhandelt wurde als in den „realistischen“ Genres (auch der Realismus ist nur eine Konvention). Sie sind ein wichtiger Gedächtnisspeicher unserer Kultur, weil man in ihnen finden kann, was die Menschen umtrieb und in anderen Filmgenres lieber ausgeblendet wurde. Das, was sie zeigen, ist nicht immer schön und schon gar nicht beruhigend. Die Verstümmelungen, die der Erste Weltkrieg an Körper und Seele des Menschen angerichtet hatte, durften im Film nicht thematisiert werden – es sei denn, es geschah auf dem Umweg über ein aus Leichenteilen zusammengesetztes Monster (Boris Karloff) wie in Frankenstein (1931) von James Whale. Dieses Monster trägt die Kleidung eines Arbeiters, weil es nur vordergründig durch eine bayerische Gebirgslandschaft irrt, tatsächlich aber – auch ein Tabu – durch ein von der Weltwirtschaftskrise gezeichnetes Land.
[Quelle: Wie ich einmal versuchte, einen indizierten Film zu kaufen (Telepolis, 01.05.2008)]

Als Herr Schmid über den italienischen Regisseur Mario Bava einen Beitrag verfasste, wurde er gewahr, dass eines der Hauptwerke Bavas, der Film Ecologia del delitto, seit 1983 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien als jugendgefährdend eingestuft ist und somit Deutschland weder beworben noch verkauft werden darf.

In einer dreiteiligen (Teil 1, Teil 2, Teil 3 Teil 3 zum jetzigen Zeitpunk noch nicht erschienen [Update: 05.05.2009])  Serie setzt sich Herr Schmid nun mit der Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle auseinander und fragt sich, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit die Bundesbehörde eine Eignung von Träger- und Telemedien attestiert, die

die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden […]. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien,
in denen
1. Gewalthandlungen, insbesondere Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder
2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird.
[§ 18 Abs. 1 JuSchG, zitiert nach: Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien]

Dabei interessieren ihn

die Risiken und Nebenwirkungen eines Systems, das, einmal etabliert, ein Eigenleben entwickelt und zu dem es keine Packungsbeilage gibt
[Quelle: Einmal gefährdungsgeneigt, immer gefährdungsgeneigt (Telepolis, 02.05.2008)]

Obwohl Herr Schmid betont, weder Jurist noch Kriminologe zu sein, halte ich seine Artikel geradezu für eine Pflichtlektüre für alle Sozial- und Geisteswissenschaftler. Ohne Weiteres ließen sich die geistreichen Ausführungen auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen, in denen staatliche Kontrollbestrebungen in einem generellen Verbot Ausdruck finden. Die nicht-intendierten Folgen einer Prohibition sind ebenso wie die beabsichtigte Beeinflussung gesellschaftlicher Diskurse vielschichtig:

Im Edgar-Wallace-Film Die blaue Hand steht in einem Geheimgang ein Skelett, das mechanisch den Arm zum „deutschen Gruß“ hebt. Für mich war das eine Art Erweckungserlebnis. Mir wurde schlagartig klar, was mit den zum Verschleppen junger Frauen genutzten Geheimgängen, den Überwachungsanlagen und den Verliesen gemeint war. Es ging um das, was sich hinter der Fassade der Wohlanständigkeit verbarg und um eine verdrängte Vergangenheit. Um die Leichen im Keller der „englischen“ Adeligen und Rechtsanwälte, die oft von Darstellern gespielt wurden, deren Leinwandkarriere das Dritte Reich überdauert hatte. Angesichts der immer länger werdenden Reihe von Filmen über die Nazizeit vergisst man leicht, wie lange in Deutschland mit Verboten zu rechnen war, wenn das Thema nicht im Gewand des Horrorfilms versteckt wurde. Die Einrichtungen, die es bei uns zum Schutz der Jugend gibt, spielten dabei eine unrühmliche Rolle.
[Quelle: Wie ich einmal versuchte, einen indizierten Film zu kaufen (Telepolis, 01.05.2008)]

Der Autor betont mehrfach, dass es ihm nicht daran gelegen sei, gegen die Bundesprüfstelle zu polemisieren; vielmehr wolle er hervorheben, dass

Ein guter Indikator für die Qualität einer Demokratie […] deren Umgang mit dem [sei], was die Mehrheit ablehnt, nicht leiden kann oder vielleicht sogar gefährlich findet.
[Quelle: Einmal gefährdungsgeneigt, immer gefährdungsgeneigt (Telepolis, 02.05.2008)]

Jener Umgang wurde und wird in letzter Zeit immer wieder auf den Prüfstand gestellt; egal, ob es sich um den vermeintlichen Zusammenhang von Computerspielen und Amokläufen oder  dem Einsatz von Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornographie handelt.

In diesem Sinne, einer lebendigen Demokratie, freue ich mich auf eine anregende Diskussion:

  • Wie ich einmal versuchte, einen indizierten Film zu kaufen (Telepolis, 01.05.2008)
  • Einmal gefährdungsgeneigt, immer gefährdungsgeneigt (Telepolis, 02.05.2008)
  • Amokläufer unter sich (Telepolis, 05.05.2009) [Update: 05.05.2009]
  • twittern 
  • teilen 
  • E-Mail 



Verwandte Artikel

Beyond Punishment (II): die Folgen der Tat Moral Panic in the UK – das Beispiel der Video Nasties Default ThumbnailAngriff mit Messer auf der Reeperbahn Default ThumbnailMesserattacke im Gymnasium Default ThumbnailAuch Scheich Issa Bin Zayed ist ein Foltermeister

Kategorie: Devianz und Kriminalität, Gewaltkriminalität, Kontrolle und Sanktionen, Prävention Stichworte: Bundesprüfstelle, FSK, Gewalt, Gewaltprävention, Horrorfilme, Jugendliche, Jugendschutz, Zensur

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Michi schreibt

    22. Juni 2012 um 18:28

    na das mit der diskusion is ja leider nix geworden..

  2. Christian Wickert schreibt

    22. Juni 2012 um 18:36

    ja, leider. Aber ich halte es für verfrüht, die Demokratie für tot zu erklären 😉

Haupt-Sidebar

Datenschutz & Cookies: Diese Website verwendet Cookies. Wenn du die Website weiterhin nutzt, stimmst du der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen, beispielsweise zur Kontrolle von Cookies, findest du hier: Cookie-Richtlinie

Über uns

Criminologia ist ein Blog zu kriminologischen und kriminalpolitischen Themen, betrieben und gepflegt von (ehemaligen) Lehrenden und Studierenden des Instituts für kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg und Lehrenden an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Social Media

  • Pinterest
  • Twitter
  • Vimeo

kurz notiert …

Tweets von @Kriminologie

Neueste Beiträge

  • Rezension: Criminal Futures: Predictive Policing and Everyday Police Work
  • Krimschnack-Podcast zum Zusammenhang von Musik und Kriminalität
  • Rezension: Drug Use for Grown-Ups
  • Rezension: The Global Police State
  • Rezension: The politics of big data. Big data, big brother?

Neueste Kommentare

  • Desireena Almoradie bei Restorative Justice Film „To Germany, With Love“
  • Martin Cichy bei Leidet das Vertrauen in den Rechtsstaat unter einer zu milden Justiz? Eine Diskussion
  • Eva Martin bei Leidet das Vertrauen in den Rechtsstaat unter einer zu milden Justiz? Eine Diskussion

Kriminologisches Glossar und Personenverzeichnis

Blog via E-Mail abonnieren

Gib Deine E-Mail-Adresse an, um diesen Blog zu abonnieren und Benachrichtigungen über neue Beiträge via E-Mail zu erhalten.

Veranstaltungen

  • ZiF-Arbeitsgruppe zum Thema "Krimmigration" (Teil 2 - Präsenzveranstaltung)
    • 12/10/2021
    • Bielefeld
  • weitere Veranstaltungen anzeigen

Partnerseiten

Kriminologische Sozialforschung (Universität Hamburg)

Institut für Kriminologische Sozialforschung (IKS) der Universität Hamburg

Krimpedia

Krimpedia

Common Session Programme in Critical Criminology

Common Study Programme in Critical Criminology

Surveillance Studies Blog

Surveillance Studies

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

Weiterbildender Masterstudiengang Kriminologie

SozTheo | sozialwissenschaftliche Theorien

SozTheo Banner

Copyright © 2021 — Criminologia • Alle Rechte vorbehalten. • Impressum & Datenschutzerklärung

Anmelden