In einem meiner letzten Postings hatte ich die Frage nach der kriminologischen Relevanz der weltweiten Finanzkrise aufgeworfen, woraufhin ich in einem Kommentar auf Kosteneinsparungen im Bereich der Vollstreckung von Todesstrafen in den USA hingewiesen wurde:
In an unexpected twist to the economic crisis, several US states are weighing whether to abolish the death penalty as the execution process proves too great a drain on dwindling resources.
Passend zum Thema bin ich heute auf den Artikel One in Every 31 Adults in Prison; Prison Spending Outpaces All but Medicaid gestoßen. Der Autor beruft sich in dem Beitrag auf eine aktuell veröffentlichte Studie des Pew’s Center on the States (PCS). Hiernach verbüßen aktuell 7,3 Millionen Amerikaner eine Gefängnis- oder Bewährungsstrafe (probation) bzw. profitieren wegen guter Führung von einer bedingten Strafaussetzung (parole); das entspricht einer Quote von 1:31.
Die Ausgaben für das Strafvollzugssystem sind in den letzten 25 Jahren um 300% gestiegen. Nur der Bereich des Gesundheitsdienstes für Bedürftige (Medicaid) wurde ähnlich stark finanziell gefördert. Die Ausgaben für das Bildungssystem, Gesundheitswesen und den Bereich der allgemeinen Sozialleistungen blieben im Vergleich dahinter zurück.
Das Strafvollzugssystem (einschließlich der Bewährungshilfe) kostet die amerikanischen Steuerzahler jährlich $68 Milliarden. Das entspricht einer Vervierfachung der Kosten in den letzten 25 Jahren. Dabei floss der Großteil des Geldes (annähernd 90%) in den Gefängnissektor, die kommunalen Programme zur Bewährungshilfe und Resozialisierung hingegen, erhielten gemessen an einem gestiegenen Arbeitsaufkommen weniger Zuwendungen. Die Autoren der Studie kritisieren, diese ungleichen finanziellen Zuwendungen erfolgten ungeachtet der höheren Effizienz (gemessen an der Rückfallquote) und den geringeren Kosten (pro Verurteilter) des Systems der Bewährungshilfe.
States are looking to make cuts that will have long-term harmful effects,“ said Sue Urahn, managing director of the Pew Center on the States. „Corrections is one area they can cut and still have good or better outcomes than what they are doing now. [Quelle: CommonDreams.org]
Weitere Ergebnisse betreffen die Zuwachsraten der Gefangenenpopulation sowie die ethnische, geschlechterspezifische und regionale Verteilung der Gefangenenraten.
- One in 31 adults in America is in prison or jail, or on probation or parole. Twenty-five years ago, the rate was 1 in 77.
- Overall, two-thirds of offenders are in the community, not behind bars. 1 in 45 adults is on probation or parole and 1 in 100 is in prison or jail. The proportion of offenders behind bars versus in the community has changed very little over the past 25 years, despite the addition of 1.1 million prison beds.
- Correctional control rates are highly concentrated by race and geography: 1 in 11 black adults (9.2 percent) versus 1 in 27 Hispanic adults (3.7 percent) and 1 in 45 white adults (2.2 percent); 1 in 18 men (5.5 percent) versus 1 in 89 women (1.1 percent). The rates can be extremely high in certain neighborhoods. In one block-group of Detroit’s East Side, for example, 1 in 7 adult men (14.3 percent) is under correctional control.
- Georgia, where 1 in 13 adults is behind bars or under community supervision, leads the top five states that also include Idaho, Texas, Massachusetts, Ohio and the District of Columbia.
Ende Februar erging in Kalifornien ein richterliches Urteil, demzufolge die Gefangenenzahlen in kalifornischen Gefängnissen innerhalb der kommenden 2-3 Jahre um 40% reduziert werden sollen. Die jetzige Überbelegung der Gefängnisse lasse eine Garantie der verfassungsgemäßen Rechte von Gefangenen nicht mehr zu.
Nach drei Dekaden des stetigen Ausbaus scheint das amerikanische Strafvollzugssystem an seine finanziellen und organisatorischen Grenzen gekommen zu sein. Angesichts der immensen Kosten und des zweifelhaften Erfolges der Incapacitation-Strategie bleibt abzuwarten, ob in Zukunft ein strafpolitischer Strategiewechsel eingeläutet werden wird. Als Folge der weltweiten Finanzkrise dürften sich zukünftige kriminal- und sicherheitspolitische Entscheidungen weniger an der Leitfrage Wieviel Freiheit kostet Sicherheit?, sondern eher an einer verkürzten Fragestellung Wieviel kostet Sicherheit? orientieren.
Links zum Thema
- Die Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Studie des PEW Center on the States findet sich hier.
- Die Studie selbst steht als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.