Gerade kehre ich von einer interessanten Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin zurück, die sich „Embedded Art“ nennt und den Untertitel trägt: „Kunst im Namen der Sicherheit“. Die Ausstellung
EMBEDDED ART beschäftigt sich mit den Bedrohungen eines freien öffentlichen Lebens nach den Anschlägen von New York, Madrid, Moskau und London. Seit der Terror die Metropolen der USA und Europas erreichte, haben staatliche Eingriffe im Namen der Sicherheit den Alltag von Millionen Menschen verändert. Im Dienst einer allumfassenden Gewährleistung körperlicher, politischer und staatlicher Unversehrtheit ist Sicherheit zu einer neuen Ideologie, zum „Mantra“ der zivilen Gesellschaft geworden.
„Embedded“ heißt die Ausstellung deshalb, weil sie ausschließlich Arbeiten zeigt,
die „eingebettet“ vor Ort oder vor dem Hintergrund komplexer Recherchen realisiert wurden. Die Werke fokussieren auf das Konfliktfeld von Terror und Angst, auf Sicherheit und Kontrolle. Die Künstler konzentrieren sich dabei vornehmlich auf drei Gebiete: die „neuen Bedrohungen“, die zumeist technischen Reaktionen darauf und die sich hieraus ergebenden Veränderungen der Gesellschaft.
Mit diesem Konzept ist es der Akademie der Künste zum einen gelungen, sofort meine Aufmerksamkeit als Kriminologin zu gewinnen, zum anderen ein Programm aus Installationen, Vorträgen und Filmen zusammenzustellen, das für die Besucher die moderne Missbalance zwischen Freiheit, Sicherheit und Überwachung nachhaltig erfahrbar macht.
[Achtung: Spoiler-Gefahr – wer vor hat, die Ausstellung zu besuchen, dem wird angeraten, an dieser Stelle nicht weiter zu lesen, um sich selber nicht um den Aha-Effekt zu bringen.]Diese Erfahrung beginnt für den nichts ahnenden Besucher bereits in dem Moment, in dem er sich dazu entschließt, eine Eintrittskarte zu erwerben. Er wird vor die Wahl gestellt: Möchte er nur die Ausstellungssäle besuchen oder möchte er auch an einer Führung teilnehmen? Ein Besuch der Ausstellungssäle koste zwei Euro, die Führung das Doppelte. Die Führung habe aber den Vorteil, daß sie den Besucher direkt an den Originalen vorbeiführt. Allerdings habe die Sache auch einen „Haken“. Die Führung ist, da die Originale in denselben Kellerräume ausgestellt werden, in denen sich auch die Archive der Akademie befinden, nur mit strengen Sicherheitsauflagen möglich. Ist der Besucher bereit, sich darauf einzulassen, nur um die Originale zu sehen?
Es ist diese Bereitschaft (der Besucher) sich auf Kontrolle und Überwachung im Namen der Sicherheit einzulassen, die auch in der Ausstellung selbst immer wieder eindrucksvoll thematisiert und durchaus auch getestet wird.
Im Untergeschoss ist es u.a. der kugelsichere Weste und Waffe tragende tour guide, der die Kontrolle sichtbar und vor allen Dingen spürbar werden lässt, wenn er die Besucher 30 Minuten lang durch die videoüberwachten und nur mit Zugangskarte erreichbaren Ausstellungsräume im Keller der Akademie führt, sie „aus Sicherheitsgründen“ dazu auffordert, immer eng beieinander zu bleiben, und für jeden Ausstellungsraum nur jeweils genau 10 Minuten Zeit zur Verfügung stellt, bevor er höflich, aber doch sehr bestimmt dazu auffordert, den Raum wieder zu verlassen. (Was wenn man – wie gewohnt – in Ruhe durch die Ausstellung schlendern möchte, um sich alles anzusehen, schnell zu Irritation führt. Man erfährt am eigenen Leib, dass Kontrolle auch immer Einschränkung der persönlichen Freiheiten bedeutet.) Weiterhin befindet sich hier im Untergeschoss auch die ob der gezeigten Grausamkeit und Gewalt erschreckende und bewegende Installation von Künstler Vassilios Georgiadis, dessen Arbeit sich mit der Motivation und den Gründen von Selbstmordattentäterinnen befasst und auf eindrucksvolle Weise eine Wirklichkeit erfahrbar zu machen versucht, die für uns kaum vorstellbar ist.
Im Ausstellungssaal im Obergeschoss sensibilisiert der von Monika Schedler installierte Digitomat, ein Lesegerät für Fingerabdrücke, welches die Besucher benutzen können, um „Biometrie-Kunstwerke“ zu erzeugen. Der Besucher lässt dazu sein persönliches Körpermerkmal von dem Gerät abtasten. Als Ergebnis dieses Vorgangs erscheint sein individuelles „Digito“ – ein virtuelles Gemälde. Wird der Besucher seinen Fingerabdruck bedenkenlos abgeben, um sein persönliches „Biometrie-Kunstwerk“ betrachten zu können? Oder wittert er den Missbrauch seiner persönlichen Daten? (Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich es – nach minutenlangem um-das-Gerät-Herumschleichen – nur zwei ebenso neugierigen Besuchern zu verdanken habe, dass ich nicht meinen eigenen Fingerabdruck abgegeben habe…)
Am eindringlichsten führt einem jedoch die sehr gelungene Video-Installation Total Information Awareness vom Künstler Zsolt Barat und dem Künstlerduo Lillevan & Zaji Chalem vor Augen, was es bedeutet „überwacht“ zu werden:
Bei der Ansicht der 12 riesengroßen Leinwände, auf die immerzu verschiedene Bilder projiziert werden, fällt dem Betrachter bald auf, dass auf einigen Bildern die Kellerräume zu sehen sind durch die er eben noch geführt wurde, um den anderen Teil der Ausstellung zu sehen. Und noch bevor ihm richtig bewusst wird, dass die Videokameras im Keller gar nicht zur Sicherheit der Archive vorhanden sind (so erklärte der tour guide ihr Vorhandensein ja zu Beginn der Führung), sondern dass sie live die Originale und ihre Besucher aus den gesicherten Untergeschossen des Gebäudes übertragen, steht er plötzlich sich selbst gegenüber: Eine weitere im Saal installierte Videokamera filmt ebenfalls live den Moment der Realisation und überträgt ihn sofort auf die zwölf großen Leinwände – für alle anderen Besucher sichtbar. In dieser Ausstellung ist der Besucher eben nicht nur Betrachter, sondern zugleich auch immerzu Betrachteter – und wird somit auf eine spannende Akzeptanzprobe gestellt.
Begleitend zur Ausstellung finden zudem noch Aktionen, Führungen, Diskussionen und Filmvorführungen statt, wie z.B. eine Live-Demonstration eines „unbemannten Überwachungshubschraubers“ oder der Funktionsweise einer Taser Elektroschockpistole.
Mehr Informationen zur Ausstellung und zu den Künstlern finden sich hier.
Ein Artikel aus dem Spiegel vom 31. Januar 2009 über die Ausstellung findet sich hier.
* Dieser Satz stand auf einem Poster zu der Ausstellung im Foyer der Akademie der Künste, Berlin.