Seit einigen Wochen mehren sich Medienberichte über eine neue Droge:
Eine unter dem Namen „Spice“ vertriebene Kräutermischung mit angeblich Marihuana-ähnlicher Wirkung findet demnach reißenden Absatz bei einer vorwiegend jungen Käufergruppe.
Spice besteht nach Angaben der englischen Herstellerfirma The Psyche Deli aus einer Reihe unterschiedlicher exotischer Kräuter mit so klangvollen Namen wie Meeresbohne, Blauer Lotus und Afrikanisches Löwenohr.
Vertrieben wird Spice als Räucherwerk – ein Packungsaufdruck warnt offiziell vor dem Rauchen der Kräutermischung.
An dem aktuellen Hype um eine Kräutermischung sind m. E. folgende Punkte beachtenswert:
Es scheint bislang völlig unklar, welche Inhaltsstoffe die rauschartige Wirkung (die immerhin bis zu acht Stunden anhalten soll) auslösen. Es hat den Anschein als ob weder die angegebenen Inhaltsstoffe einen derart lang anhaltenden Rausch auslösen könnten, noch konnten bislang weitere Inhaltsstoffe mit psychotroper Wirkung nachgewiesen werden. Einige Experten mutmaßen, die Rauschwirkung könnte auf einen Placeboeffekt zurückzuführen sein. Fakt ist: keiner der handelsüblichen Drogentests kann einen Nachweis der Nutzung von Spice erbringen. Das wiederum lässt den Stoff außerordentlich interessant werden für Cannabis-Konsumenten, die beispielsweise im Zuge einer MPU oder eines Einstellungstestes mit Drogenkontrollen rechnen müssen.
Trotz vollkommen unzureichender Erkenntnisse über die genaue Wirksamkeit der Inhaltsstoffe von Spice, mehren sich die Forderungen nach einem Verbot. Eine Substanz, die eine vergleichbare Wirkung des illegalisierten Cannabis hat, darf nicht legal sein. Da es sich bei Spice allerdings um eine Mischung verschiedener Substanzen handelt, kann Spice – wie die Drogenbeauftragte Frau Bätzing konstatiert – nicht unter das Betäubungsmittelgesetz gestellt werden (siehe hier: http://www.spiegel.de/video/video-42205.html).
Vor wenigen Wochen wurde vom Gesundheitsministerium vermeldet, dass die Zahl der jugendlichen Cannabiskonsumenten erfreulicherweise zwischen 2004 und 2008 rückläufig war. Nach der Studie zur „Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland“ sank die Lebenszeitprävalenz unter den 12-25 jährigen um 3 Prozentpunkte, bei den 12-17jährigen sogar um knapp 5 Prozentpunkte.
Da Spice erst seit einem Jahr auf dem deutschen Markt erhältlich ist, erscheint es unwahrscheinlich, dass der Rückgang der Cannabisprobierer auf die Kräutermischung ausgewichen ist. Dass gesundheits- und drogenpolitisch positive Meldungen, durch Medienberichte von Jugendlichen im Spice-Rausch überschattet werden, ist aus Sicht der Politik sicher ein Ärgernis und der Konsum von Spice ein gesundheitspolitisch nicht kalkulierbares Risikopotential (siehe: Stellungnahme der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing).
Unabhängig davon, auf welchem Wege eine Illegalisierung von Spice argumentativ untermauert werden wird (das dies geschehen wird, daran habe ich keinen Zweifel), verdeutlicht die große Nachfrage und das öffentliche Interesse an dem Cannabis-Substitut das Bedürfnis nach legalen, wirksamen Drogen (vgl. Zeit Online).
Akzeptiert und toleriert man den Umstand, dass sich Teile der Bevölkerung – zumindest zeitweise – einem Rauschzustand hingeben möchten (dabei aber nicht auf die Droge Alkohol zurückgreifen wollen), gilt es, Argumente, die für oder gegen eine Substanz sprechen zweckrational abzuwägen (gesundheitliche Folgen, gesellschaftliche Folgen verursacht durch Beschaffungskriminalität, Produktivitäts- und Leistungseinbußen der Konsumenten vs. positive Rauscherfahrung und Wohlbefinden etc. – siehe hierzu auch Henner Hess (2008) Repression oder Legalisierung? Ein drogenpolitisches Nachwort.)
Nach gegenwärtiger Erkenntnislage fiele eine solche Überprüfung zweckrationaler Abwägungen vermutlich zu Ungunsten der Kräutermischung Spice aus. Die Risiken des Konsums lassen sich mangels abschließender Analysen nicht abschätzen. Auch die Herstellerfirma The Psyche Deli trägt zur Aufklärung nichts bei. Die Internetseite der Kräuter-Dealer ist seit Wochen offline.
Für Cannabis (und die allermeisten der anderen illegalen Drogen) bedürfte es keiner näheren Analysen und Aufklärungen. Inhaltsstoffe und Wirkweisen sind seit vielen (tausend) Jahren bekannt und Risiken beschrieben. Dass das grundsätzlich durch das Grundgesetz verbürgte „Recht auf Rausch“ allerdings bei diesen Substanzen auf Grenzen stößt, ist allgemein bekannt (siehe: sog. Cannabis-Urteil des BVerfGE).
Links zum Thema:
- Polylux: Spice das legale Marihuana
- Wikipedia: Spice
- Tagesschau: Mehr als eine harmlose Kräutermischung
Update vom 15.12.2008
Wie Spiegel Online heute berichtet hat das Pharma-Unternehmen THC-Pharm im Auftrag des Frankfurter Drogenreferats eine Probe von Spice untersucht. Dabei fanden sich
in allen Spice-Proben die Chemikalie JWH018. Dabei handelt es sich um ein synthetisches, also künstlich hergestelltes Cannabinoid, das der Studie zufolge vier Mal stärker ist als der natürliche Cannabis-Wirkstoff THC.
Guido Zülch schreibt
Sehr von Gott entlasteter Leser,
im Solinger Tageblatt vom 31.12.2008 erschien der Artikel „Die Wundertüte für den Rausch wird verboten“, in dem erwähnt wird, dass die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die Eilverordnung zum Bertäubungsmittelgesetz unterschreiben wird, so dass das Verbot vorraussichtlich Mitte Januar aus dem Verhehr gezogen wird. Damit kann nun die Kriminalität „Spice“ legal erwerben und den mit der sozialen Marktwirtschaft gewonnenen ehemaligen Kundenkreis übernehmen, soweit Menschen es auf einen Rausch anlegen.