Die Drogenpolitik ist seit jeher eine Vorreiterin der Kriminalpolitik. Die Berichte der sog. Bundesdrogenbeauftragten zeigen oft, woher und wohin der Wind bläst.
Deswegen können sowohl die jährlichen Drogen- und Suchtberichte der Bundesregierung als auch die z.T. kämpferischen Stellungnahmen Betroffener für KriminologInnen von Interesse sein. Hier die Stellungnahme des Deutschen Hanf-Verbands zum „Drogen- und Suchtbericht 2008“:
http://hanfverband.de/aktuell/meldung_1210252842.html
Bedingt glaubwürdig – Was der Bundesdrogenbericht verschweigt
Meldung des DHV vom 08. 05. 2008
Anfang Mai wird traditionell der Jahresbericht der Bundesdrogenbeauftragten veröffentlicht. Wer jedoch von dieser amtlichen Verlautbarung eine sachliche Beschreibung der Drogensituation Deutschlands erwartet wird regelmäßig enttäuscht.
Fast immer dominieren die persönlichen Interessen der Drogenbeauftragten die Debatte. Allzu oft wird der Drogen- und Suchtbericht von der Presse auf eine Schlagzeile reduziert und die große Masse der Konsumenten einfach ausgeblendet.
Dazu kommt, dass jede(r) Drogenbeauftragte versucht, die Vorstellung des
Suchtberichts für die eigene Profilierung zu nutzen. Prinzipiell verständlich ist das schon, war doch seit Jahren kein echter Fachpolitiker mehr Drogenbeauftragter. Wer dieses Amt innehat, sieht es oft lediglich als Karriereschritt, den es möglichst bald hinter sich zu lassen gilt. Was liegt da näher, als sich mit alten Antworten auf neue Probleme für größere Aufgaben zu empfehlen…Schoppen-Ede und der Turkey
Gelegentlich waren die Versuche, trotz weitgehender Unwissenheit Schlagzeilen zu produzieren, jedoch so durchsichtig, dass selbst die Presse sie durchschaute.
Unvergessen bleibt zum Beispiel die Unverfrorenheit, mit der Eduard Lindner (CSU) Anfang der Neunziger behauptete, sein Haus hätte eine neue besorgniserregende Droge ausgemacht, die den deutschen Markt überschwemme. Der Killerstoff trage den Namen „Turkey“, so der als „Schoppen-Ede“ zu zweifelhafter Berühmtheit gekommene Politiker.
Vielleicht hätte ihn einer seiner Mitarbeiter darauf hinweisen sollen, dass dies eine gängige Bezeichnung für Entzugserscheinungen ist, unter denen (Heroin-)Abhängige leiden, wenn sie keine Drogen nehmen.Wie Caspers-Merck GHB erfand
Mitunter ist der Drogenbericht sogar die Geburtsstunde neuer Drogenprobleme. So führte erst die von Marion Caspers-Merck (SPD) Ende der Neunziger mit aller Medienmacht betriebene Kampagne gegen die „neue Killerdroge“ Liquid Ectasy dazu, dass GHB (4-Hydroxybutansäure) in der Partyszene Fuß fassen konnte. Ihre Horrormeldung wurde so zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung und die damalige Drogenbeauftragte musste sich den Spitznamen Casperle-Merknix gefallen lassen.
Seit November 2005 wird das Amt der Drogenbeauftragten der Bundesregierung nun von Sabine Bätzing (SPD) ausgefüllt. Bereits in den ersten Wochen nach ihrem Amtsantritt wurde klar, dass auch sie weniger Fachpolitikerin als Machtpolitikerin ist und dass die Probleme der Drogennutzer auch unter ihrer Ägide erst dann eine politische Rolle spielen werden, wenn die Konsumenten in Beratungsstellen, Krankenhäusern oder Gefängnissen landen.
Dass Bätzing die Tätigkeit als Drogenbeauftragte in erster Linie als unliebsamen Zwischenschritt zu höheren Parteifunktionen sieht, merkt man auch den von ihr veröffentlichten Drogenberichten an. Immer wieder wird bemängelt, dass Bätzing den Bericht missbrauche, um eigene Projekte zu loben um das eigene politische Profil zu schärfen. Ganze Seiten des Drogenberichts beschäftigen sich mit den Initiativen, die von Sabine Bätzing „voran gebracht wurden“. Ideen und Projekte, die nicht aus ihrem Hause stammen, werden hingegen klein geredet oder tauchen erst gar nicht
auf.Was wirklich zählt, das fehlt
Die wichtigste Aufgabe der Medien ist es deshalb bei der Veröffentlichung des Drogenberichts zwischen den Zeilen zu lesen und das zu sehen, was bewusst oder unbewusst nicht im Drogenbericht der Bundesregierung steht. Besonders, wenn man die Drogen- und Suchtberichte verschiedener Jahre vergleicht, fallen so zum Teil gravierende Ungereimtheiten auf.
So hieß es im vergangenen Jahr in Bätzings Bericht:
„Rund zwei Millionen (…) Menschen konsumieren in Deutschland regelmäßig Cannabis, etwa 400.000 von ihnen weisen einen missbräuchlichen oder abhängigen Konsum auf.“ Drogen- und Suchtbericht 2007 (S. 36)Nur ein Jahr später liest man dort:
„Insgesamt etwa 600.000 Personen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren missbrauchen Cannabis (380.000) oder sind von Cannabis abhängig (220.000). Damit hat sich die Zahl der Cannabismissbraucher seit 1997 deutlich erhöht.“ Drogen- und Suchtbericht 2008 (S. 13)Wer jedoch erwartet hätte, dass sich ein märchenhafter Anstieg der „Cannabisabhängigen“ von 50 Prozent innerhalb nur einen Jahres in der Presseerklärung der Drogenbeauftragten zum Suchtbericht wieder findet, wird enttäuscht. Sie nennt lediglich beiläufig die neue Zahl. Woraus der erhebliche Unterschied der Abhängigkeitszahlen resultiert, bleibt völlig im Dunkeln. Sicher ist nur, dass die „neuen Zahlen“ in Zukunft in vielen Presseberichten auftauchen werden, obwohl keiner der Journalisten so richtig weiß, wie sie entstanden.
Mehr Cannabisabhängige bei weniger Konsum?
Besonders mysteriös wird der rasante Zuwachs der Abhängigkeitszahlen dadurch, dass Bätzing gleichzeitig verlauten lässt, dass: „…die Lebenszeitprävalenz und die 12-Monatsprävalenzraten im Vergleich zu den Zahlen von 2003 in allen Altersgruppen (zum Teil stark) rückläufig sind. Lediglich bei den regelmäßigen Cannabiskonsumierenden ist die Tendenz gleichbleibend.“
Drogen- und Suchtbericht 2008 (S. 74)Obwohl also weniger Menschen im letzten Jahr Cannabis konsumierten (12-Monats-Prävalenz) und es auch weniger Menschen gibt, die jemals Cannabis konsumiert haben (Lebenszeitprävalenz) soll die Anzahl der Abhängigen massiv angestiegen sein?
Wahrscheinlicher ist es da schon, dass hohe Abhängigkeitszahlen schlicht politisch gewünscht sind und unabhängig von der existierenden Drogenwirklichkeit herbei geschrieben werden. Erst vermeintlich tausendfaches Drogenelend gibt Bätzing eine politische Rechtfertigung für ihre einseitig abstinenzorientierte und repressive Drogenpolitik und nur das zählt:
„Diese Entwicklung macht die lang unterschätzte Gefährlichkeit von Cannabis deutlich.“ Drogen- und Suchtbericht 2008 (S. 13)Die Gefährlichkeit von Cannabis
Eine echte Möglichkeit zur Analyse der „Gefährlichkeit“ von Cannabis bietet der Drogenbericht der Bundesregierung jedoch leider nicht. Der Bericht verschweigt, was bei anderen Rauschmitteln stets eine wesentliche Information ist – Die Gesamtzahl der Konsumenten. Erst wenn man weiß, wie viele Menschen eine Droge konsumieren, kann man entscheiden, ob die Zahl der Abhängigen hoch oder eher niedrig ist.
Nicht die Anzahl der Probleme ist für die Gefährlichkeit einer Droge entscheidend, sondern der Anteil der Problemfälle an der Gesamtkonsumentenzahl.
Nach den letzten verfügbaren Angaben der Bundesregierung von 2004 dürfte die Zahl der aktuellen Cannabiskonsumenten in Deutschland, die innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis mindestens einmal konsumiert haben, bei etwa 4 Millionen liegen. Angenommen, die hohe Zahl von 400.000 Abhängigen und „Missbrauchern“ aus dem Drogenbericht 2007 stimmt, dann heißt das, dass immer noch 90 Prozent der Konsumenten nicht von Abhängigkeit oder Missbrauch betroffen sind.Warum die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing die absoluten Konsumentenzahlen bei Cannabis verschweigt, ist unklar. Vermutlich würde die geringe Abhängigkeitsquote einfach nicht in das gewünschte Bild vom besonders gefährlichen Rauschmittel passen.
Ohne konkrete Zahlen zu den Kiffern in Deutschland, fällt es jedoch nicht nur Cannabisfreunden schwer, im Drogenbericht einen Beleg der These von der „lang unterschätzte Gefährlichkeit von Cannabis“ zu finden. Andere Rauschmittel scheinen deutlich drastischere Folgen für die Konsumenten zu haben:Tabak/ Nikotin: „33,9 Prozent der Erwachsenen in Deutschland rauchen. Das entspricht etwa 16 Millionen Menschen. Im Alter von 12–17 Jahren greifen 18 Prozent der Jugendlichen zur Zigarette. Etwa 140.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig an den direkten Folgen des Rauchens, etwa 3.300 Menschen an den Folgen des Passivrauchens.“ Drogen- und Suchtbericht 2008 (S. 38)
Alkohol: „Die Alltagsdroge Alkohol verursacht bei einer großen Zahl von Menschen schwerwiegende gesundheitliche Probleme: 9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in riskanter Weise. 1,3 Millionen Menschen sind alkoholabhängig. Jedes Jahr sterben in Deutschland mindestens 42.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs.“
Drogen- und Suchtbericht 2008 (S. 55)Medikamente:“In Deutschland sind schätzungsweise 1,4– 1,5 Millionen Menschen medikamentenabhängig, davon 70 Prozent Frauen. … Die volkswirtschaftlichen Folgekosten der Medikamentenabhängigkeit werden derzeit auf ca. 14 Milliarden Euro geschätzt (Extrapolierung der Bundesärztekammer).“ Drogen- Suchtbericht 2008 (S. 69)
Im Kapitel zu Cannabis wird jedoch nicht von Todesfällen berichtet. Und auch die „volkswirtschaftlichen Schäden“ des Hanfkonsums sind scheinbar nicht erwähnenswert hoch.
Wieder zeigt sich so, dass der aktuelle Drogenbericht keine objektive Zustandsbeschreibung ist. Vielmehr scheint er dazu zu dienen, die politischen Vorstellungen der Drogenbeauftragten mit „amtlichen“ Zahlen zu untermauern. Was da nicht ins Bild passt, wird einfach unter den Tisch gekehrt.
Sabine Bätzing und Blei im Gras
Dazu passt, dass der Drogenbericht das Thema gesundheitsschädliche Beimengungen und Streckmittel in Cannabisprodukten völlig ignoriert. Dabei haben selbst Nichtkonsumenten, spätestens als im vergangenen Spätsommer mehr als 100 Bleivergiftungen im Raum Leipzig Schlagzeilen machten, verstanden, dass diese Entwicklung die Risiken des Konsums von Cannabis (zum Teil erheblich) vergrößert. Aber hier scheint der Drogenbeauftragten das eigene Image wichtiger, als „der Schutz der Gesellschaft vor den Folgen des Konsums von Rauschmitteln“.
Verständlicherweise verliert sie über ihr völliges Versagen in der Streckmittel-Frage nicht viele Worte. Nicht ein Satz dazu, dass sie im Gegensatz zu Amtskollegen in anderen EU-Ländern keine Warnung vor Glas, Blei und Plastik in Marihuana veröffentlichte. Keine Silbe darüber, dass sie das Problem auch nach unzähligen Medienberichten und tausenden Anfragen an ihr Büro, noch immer für ein unwichtiges Detail hielt.
Doch Bleigras ist nicht alles, was der Drogen- und Suchtbericht 2008 verschweigt. So fehlt in dem Bericht eine Stellungnahme der Drogenbeauftragten zu:
- mehreren „Kleinen Anfragen“ zur Cannabispolitik.
- der Weigerung der Bundesregierung die Kosten der Cannabisverfolgung zu
beziffern.- Ungleichbehandlung von Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr.
- Entwicklungen im Bereich Cannabis als Medizin.
- Aufnahme von Salvia Divinorum ins BtMG.
Bleibt nur zu hoffen, dass der eine oder andere Vertreter der schreibenden Zunft hinter die Kulissen der Sabine-Bätzing-rettet-Jugendliche-Show blickt!
Münchener: Augen auf beim Graseinkauf: Blei im Gras gefunden…
Wie der Deutschen Hanf Verband berichtet, kam es zu weiteren Bleivergiftungen durch verseuchtes Marihuana. Gemeldet wurde aus München, jedoch dürfte die Verteilung weitaus breiter sein.
Im Blut betroffener Cannabiskonsumenten, die unter Vergiftungser…