Und doch spielt das Thema „Personalnot“ beim aktuellen Streit um die JVA Lübeck schon wieder eine Rolle. Es ist einer der Brennpunkte eines Konflikts, bei dem es um manches geht, nämlich um
- die Ursachen der Geiselnahme vom Heiligabend 2014
- den Umgang mit dieser Geiselnahme seitens der Anstalt
- die Amtsführung der Anstaltsleiterin der JVA Lübeck, Agnete Mauruschat (deren vorläufige Suspendierung von CDU, FDP und Piraten gefordert wird)
- die Amtsführung der Ministerin Anke Spoorendonk (SSW), der nach dem Willen der oppositionellen CDU die Zuständigkeit für die Justiz entzogen werden soll.
Schon wieder heißt es: wir sind zu wenige, das Personal ist überlastet, wir sind gefrustet und viele Kollegen können nicht mehr.
Wörtlich: „Jetzt ist es Zeit zu handeln, bevor hier alles gegen die Wand gefahren wird!“
Dieses Zitat stammt aus einem Brief, der in der ganzen Angelegenheit eine Schlüsselrolle spielt.
Es ist ein Brief, in dem ein Anstaltsmitarbeiter seiner Wut und seiner Frustration Ausdruck verlieh – einem Gefühlsstau, den er auch bei seinen Kolleginnen und Kollegen bemerkt zu haben glaubte und von denen einige ihn wohl in seiner Auffassung bestärkt hatten. Denn anscheinend sandte er ihn erst ab, nachdem er den Brief eine Weile im Kollegenkreis hatte zirkulieren lassen. Manche bekamen ihn zu Gesicht, andere nicht. Dann sandte er ihn ab: undatiert, aber nicht anonym – und nicht vorschriftsmäßig auf dem Dienstweg, sondern mit direkter Post an den Herrn Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein.
Form und Inhalt des Schreibens waren skandalös und hätten ihn seinen Job kosten können. Der Schreiber hatte aber starke Verbündete. Jedenfalls schien einigen Interessengruppen und politischen Parteien das alles gerade recht zu kommen – und besonders der dem Hause Springer zugehörigen Presse in Gestalt von Lübecker Nachrichten und Hamburger Abendblatt.
Für diese Akteure war der Brief Wasser auf ihre Mühlen. Um eine unbequeme Ministerin von ihren Reformplänen abzubringen, eine unbequeme Anstaltsleiterin zu entmutigen und eine neue Linie in der Strafvollzugspolitik öffentlichkeitswirksam zu torpedieren.
In seinem Brief an den Ministerpräsidenten, der hinter dem Rücken der Betroffenen in der Anstalt von Hand zu Hand ging und der auch an die Presse gelangte, die ihn genüsslich ausschlachtete („Alarmruf aus dem Gefängnis. Führte zu liberaler Strafvollzug in JVA Lübeck zur Geiselnahme? Beamter schreibt Brandbrief an Ministerpräsident Albig“; ganzseitiger Artikel im Hamburger Abendblatt/Regionalausgabe, 16. Januar 2015), ließ der Schreiber kein gutes Haar an der Anstaltsleiterin. Wörtlich hieß es da:
„Aufgrund der Führung von Frau Mauruschat sind die Krankenstände in meiner Dienststelle weiter in die Höhe geschossen. Sie legt mehr Wert auf Freizeitgestaltung der Gefangenen als auf die Sicherheit in der Anstalt. Es sollen Häuser möglichst immer auf sein, auch wenn nicht genug Personal zur Verfügung steht.“
Also wieder einmal „nicht genug Personal“? Eine Anstaltsleitung (AL), die die Beamten krank macht? Was ist das für eine Leiterin? Was sind das für Arbeitsbedingungen? Was sagen die Gewerkschaften, was sagt der Personalrat, was sagen die Gefangenen dazu?
Die Dinge sind im Fluss. Der Konflikt ist noch nicht ausgestanden. Wir bleiben am Ball und berichten weiter.